Ein Beitrag aus dem azur Karrieremagazin 1/2015
Die Partnerschaft hat längst nicht mehr oberste Priorität für junge Juristen. Bietet der Counsel eine dauerhafte Lösung? Der Zwitter-Status stößt vielerorts weder bei Associates noch bei Arbeitgebern auf große Gegenliebe. Von Parissa Kerkhoff (aus azur 1/2015)
Davon, dass auf seiner Visitenkarte einmal „Partner“ steht, hat Dr. Daniel Zimmer nie geträumt. Aber ihm war früh klar, mit welchen Themen er sich beschäftigen will. „Ich habe im sechsten Semester schon gewusst, dass ich im Kartellrecht beraten will“, sagt er. Er richtete sein Referendariat und seine Dissertation auf das Fachgebiet aus und fing 2008 bei Hengeler Mueller in Düsseldorf an. „Nach vier Jahren kam mein erster Sohn zur Welt. Dann habe ich angefangen zu überlegen, wie ich auf hohem Niveau arbeiten und mich fachlich fokussieren kann, aber zugleich Freiraum für die Familie habe“, so Zimmer.
Hohes fachliches Niveau und zugleich Zeit für die Familie: Hengeler Mueller-Counsel Daniel Zimmer.
2014 kommt der zweite Sohn. Die Zeit mit seiner Familie ist Zimmer letztlich wichtiger als Partner zu werden. Die Alternative, als Counsel bei Hengeler dauerhaft in seinem Fachgebiet zu arbeiten, ist für ihn daher eine Ideallösung.
Der 39-Jährige steht mit dieser Einstellung für eine neue Generation, die ihre Prioritäten ganz anders als ihre Vorgänger setzt – die sogenannte Generation Y. Ihre Vertreter sind inzwischen in der Arbeitswelt der Kanzleien angekommen. Sie wollen mehr Freiraum für ihr Privatleben, wie Zimmer beispielsweise für die Familie. Oder aber sie arbeiten juristisch hervorragend, möchten aber nicht die unternehmerische Verantwortung als Partner tragen.
Die Vollpartnerschaft in einer Kanzlei streben laut der aktuellen azur-Associateumfrage gerade einmal 15,6 Prozent der in deutschen Wirtschaftskanzleien tätigen Associates als oberstes Karriereziel an. Das hat nicht nur mit Nicht-Wollen zu tun: Viele von ihnen glauben nicht mehr an den Aufstieg in den höchsten Führungskreis, weil vor allem die Großkanzleien seit einigen Jahren vorleben, dass nur noch sehr wenige Associates überhaupt dorthin gelangen.
Counsel sind im Trend
Mitunter rechtfertigt das geringe geschäftliche Volumen einiger Beratungsbereiche keine Partnerposition, die Großkanzleien müssen diesen Bereich aber dennoch anbieten. Auch deshalb nutzen sehr viele Kanzleien wie Freshfields Bruckhaus Deringer, Linklaters und Noerr mittlerweile den Counsel-Status. CMS Hasche Sigle beschäftigt mit 80 Counsel die meisten Counsel, bei Dentons machen die Counsel ein Viertel aller Berufsträger aus. Hogan Lovells hat in den vergangenen Jahren sogar mehr Counsel als Partner ernannt.
Für den Counsel-Status gibt es seitens der Kanzleien vor allem handfeste finanzielle Argumente. Schließlich sind Counsel erfahren, aber nicht so teuer wie Partner. Das kommt gut an bei Mandanten. Der Einsatz von Counseln lohnt sich für die Kanzleien allerdings nur, wenn diese gut ausgelastet sind, Teams führen und inhaltlich viel Verantwortung in Mandaten übernehmen.
Dabei gibt es keinen Status, mit dem die Kanzleien so unterschiedlich umgehen wie mit dem Counsel (Vielfalt auf der Karriereleiter) – doch eines eint die Sozietäten: Sie wollen ihren hoch qualifizierten Mitarbeitern eine langfristige Perspektive bieten. Sei es, um Arbeits- und Privatleben besser miteinander zu verbinden oder um dem Umsatz- und Akquisedruck der Partnerschaft zu entgehen. Manche nutzen den Counsel-Status auch, um junge Talente zu parken, die vielleicht in einigen Jahren in die Partnerschaft hineinwachsen können. Einige Kanzleien binden ihre Counsel mit Zwei- oder Vierjahres-Verträgen. Dadurch ziehen sie die Up-or-out-Entscheidung in die Länge. Dem Image des Counsel schadet dies allerdings eher.
Die unterschiedlichen Erwartungen an die Position prallen immer wieder hart aufeinander. Manch ein Counsel will mehr Zeit für sein Privatleben, sieht sich aber mit hohen Umsatzanforderungen konfrontiert. Andere wollen eine Partnerposition und keinen Parkplatz. Entsprechend sind Wechsel von Großkanzlei-Counsel in kleinere Einheiten, wo sie schließlich schneller Partner werden, an der Tagesordnung. Sie sprechen nicht gerade für eine hohe Akzeptanz des Modells. Am Ende hängt die Zufriedenheit der Counsel von mehreren Punkten ab: Wie definiert die Kanzlei die Erwartungen an ihre Counsel? Wie motiviert sie sie? Und wie sorgt sie für deren Wertschätzung innerhalb Belegschaft?
Counsel auf dem Partnertrack?
Hengeler scheint hier erfolgreich zu sein, Counsel verlassen die Kanzlei eher selten. Bislang ist allerdings noch kein Counsel auf den Partnertrack gewechselt, was prinzipiell möglich wäre. Der Kanzlei wird nachgesagt, das Counsel-Modell sehr konsequent und vorbildlich umgesetzt zu haben.
Der Schreibtisch von Hengeler-Counsel Daniel Zimmer ist deutlich schmaler als der des Kartellrechtspartners nebenan. Er ähnelt eher dem Schreibtisch aus seiner Associatezeit, allerdings arbeitet Zimmer inzwischen viel eigenständiger. Er delegiert innerhalb seines Teams Aufgaben an Associates, übernimmt die Mandatsführung und publiziert unter dem Kanzleinamen. All das dürfen Hengeler-Associates nicht.
Zimmer führt derzeit Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht. Demnächst geht er sogar mit einem Associate auf Akquisetour durch Deutschland. „Als Counsel kann ich mich aber auch ausklinken und mit meinen Söhnen auf die Weihnachtsfeier der Kita gehen“, erklärt Zimmer. Das gilt natürlich nur, wenn die Arbeit es zulässt. „Ich mache kein Jura mit angezogener Handbremse“, so Zimmer.
Im Vergleich: Partner sind fachlich breiter aufgestellt und müssen unternehmerisch arbeiten. Sie übernehmen Verwaltungsaufgaben, und ist ihr Fachgebiet einmal weniger gefragt, müssen sie sich auf Bereiche umstellen. Andererseits müssen Counsel damit klarkommen, dass Anwälte, die durchaus jünger sein können als sie, als Partner Erfolg haben.
An Wertschätzung und Motivation mangelt es Zimmer nach eigener Aussage nicht: „Ich fühle mich bei Hengeler nicht als B-Ware.“ Sein Weg in die Counselschaft, so Zimmer, sei eine ganz bewusste Entscheidung gewesen. „Es sollte meines Erachtens gerade nicht so laufen, dass man sich in den Status hineingedrängt fühlt, weil man es nicht zur Partnerschaft geschafft hat.“
Fallstricke
Anders als Zimmer entschied sich Andreas Thun nicht wegen seines Privatlebens für den Counsel-Status. „Ich bin im Marketing und in der Akquise einfach nicht so gut wie in der juristischen Arbeit“, erzählt der 47-jährige Counsel von Hogan Lovells. „Ich bin daher froh, dass ich im Marketing eine geringere unternehmerische Verantwortung habe.“ Thun ist schon seit 2005 Counsel und in seiner Kanzlei fachlich hoch angesehen. Er arbeitet in der Praxisgruppe M&A und Gesellschaftsrecht. „Partner arbeiten auch unterschiedlich viel, aber dass ich generell weniger arbeite als die Partner, würde ich nicht sagen.“ So ist Thun durchaus auch mal am Wochenende eingespannt. Ähnlich wie bei Hengeler ist auch bei Hogan Lovells der Bonus ein wichtiger Teil des Gehalts. Bei älteren Counsel kann der variable Gehaltsanteil bis zu 40 Prozent ausmachen.
Die hohe Auslastung führt aber innerhalb der Counselschaft von Hogan Lovells derzeit auch zu Kritik. „Ich wäre lieber direkt Partner und würde auch sofort wechseln, wenn sich die Chance ergibt!“, beschreibt ein Counsel von Hogan Lovells seine Situation. „Ich könnte auch Partner sein und müsste genauso viel leisten, abgesehen von zusätzlichen Verwaltungsaufgaben.“ Er bemängelt auch die Kommunikation innerhalb der Kanzlei. „Als ich Counsel wurde, hieß es, dass man entweder keine Akquise betreiben muss oder ein anderes Lebensmodell hat. Aber am Ende akquiriert man doch viel und die Umsatzerwartungen sind sportlich.“ Zudem würde man bei Hogan Lovells im Counsel-Status gerne geparkt. So jedenfall sein Gefühl. „Und dann sagt jeder Partner auch noch was anderes, was er vom Counsel erwartet. Das ist alles ziemlich frustrierend.“
Die Kritik von Seiten der Jungjuristen lässt die Kanzleiführung nicht zu nah an sich heran. „Wir haben vor einigen Jahren das Counsel-Modell eingeführt, um ein Karriereoption in der Sozietät anzubieten, die den Wünschen nach flexibler Lebens- und Karriereplanung Rechnung trägt“, sagt Dr. Volker Geyrhalter, Personalpartner von Hogan Lovells. „Counsel sind sehr qualifizierte und erfahrene Anwälte, und Mandanten fragen konkret nach ihnen. So entwickelte sich der Counsel bei uns zum Erfolgsmodell.“
Dennoch: Hogan Lovells hatte sich zuletzt die Auslastung der Counsel genau angeschaut, um sie zu homogenisieren. Das hat auch Unruhe ausgelöst. Manche fürchten, dass Counsel-Stellen abgeschafft werden. Davon nimmt die Kanzlei aber Abstand. Zum neuen Jahr ernannte Hogan Lovells weltweit 41 und in Deutschland sieben neue Counsel. „Dies belegt, dass die Sozietät fest hinter der Karriereoption Counsel steht“, so Geyrhalter. Hinter vorgehaltener Hand heißt es jedoch, dass man das Counsel-Konzept weiter überarbeiten will.
Balance finden
Da die Kanzleien letztlich sehr unterschiedlich mit dem Thema umgehen, sollten sich angehende Counsel genaue Gedanken über ihre eigene Motivation machen und sich zugleich über die Auswahlkriterien und Erwartungen an den Status seitens der Kanzlei informieren.
Auch Zeit für andere Dinge: Christiane Berr von Noerr.
Dr. Christiane Berr war bereits fünf Jahre bei Noerr als Associate tätig, als sie 2012 erstmals vom Counsel hörte. Damals führte Noerr den Status neu ein. Berr wagte seinerzeit endlich, ihrem Kanzleipartner Dr. Karl Rauser ihre Zukunftspläne zu offenbaren. „Ich wollte unbedingt weiterhin auf höchstem Niveau als Rechtsanwältin arbeiten, ohne aber den Partnertrack beschreiten zu müssen“, erzählt die 37-Jährige. Dabei befürchtet sie damals, dass man ihr wegen dieser Haltung mangelnden Ehrgeiz unterstellen würde. „Diese Befürchtung hat sich nicht bestätigt – im Gegenteil.“ Rauser zeigte Verständnis und Berr bewarb sich erfolgreich auf die Counsel-Position.
Erfüllte Erwartungen
Ihre Erwartungen haben sich weitestgehend erfüllt. „Man ist als Anwalt Dienstleister und muss einfach da sein, wenn das Team und der Mandant einen brauchen. Es gibt daher solche und solche Tage, aber unterm Strich habe ich einen guten Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben.“
Was aus ihrer Sicht noch etwas Zeit braucht, ist die Anerkennung ihres Status durch andere Anwälte. „Einige wenige Kollegen denken immer noch, dass ich mich in die Hängematte lege. Ich denke, das liegt aber auch daran, dass der Counsel-Status noch jung ist. Mit der Zeit dürfte sich das geben.“ Sie ist optimistisch.
Doch Berr setzt momentan klare Prioritäten: „Es ist mir wichtig, auch Zeit für andere Dinge neben der Arbeit zu haben, wie Familie, Freunde und Sport. Das brauche ich, um volle Leistung bei der Arbeit bringen zu können. Dass der Job eine große Rolle spielt, versteht sich von selbst. Wenn ich irgendwann zurückblicke, dann möchte ich aber nicht denken, dass alles andere zu kurz gekommen ist.“ Der allergrößte Teil der Nachwuchsanwälte setzt wie Berr inzwischen andere Prioritäten als die Partnerschaft.
Wie die aktuelle azur-Associateumfrage zeigt, würden insgesamt gut 40 Prozent der Teilnehmer aus Kanzleien für mehr Freizeit oder eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie den Arbeitgeber wechseln.
Kommentar zum Counsel-Status: Macht Euch nichts vor! auf azur-online
Vielfalt auf der Karriereleiter
Die Karrierestufen in Kanzleien sind vielfältig, ihre Bezeichnungen aber oft verwirrend – ein Überblick.
In einer Kanzlei bilden Associates das Fundament und Partner die Spitze. Dazwischen sind die Grenzen teilweise fließend, und fast jede Kanzlei pflegt eigene Namen für ihre Karrierestufen. Hinter den so unterschiedlichen Verpackungen verbirgt sich oft Gemeinsames.
Das 1. Berufsjahr beginnen Berufseinsteiger als Associate und damit als angestellter Anwalt. In vielen Kanzleien steigen sie über weitere Associate-Stufen in den folgenden Berufsjahren auf, etwa zum Senior oder Managing Associate. Bei einigen Kanzleien müssen Associates gehen, wenn sie die nächste Stufe nicht erreichen. Dieses Prinzip nennt man Up-or-out.
Der Salary-Partner steht in vielen Kanzleien nach fünf Berufsjahren als nächster wichtiger Karriereschritt an. Er ist nicht an der Kanzlei beteiligt, sondern ein Partner mit Angestellteneinkommen. Nichtsdestotrotz erhält er in der Regel eine Bonus-Komponente, die sich am Kanzleigewinn orientiert. Salary-Partner haben weniger Rechte als Vollpartner. Sie nehmen beispielsweise nicht an Gremiensitzungen teil und erhalten keinen Einblick in die Geschäftszahlen.
Nach durchschnittlich zehn Berufsjahren ist es möglich, Vollpartner zu werden. Dieser steht an der Spitze der Kanzlei und besitzt Anteile. Er haftet dementsprechend auch. Seine Entnahmen richten sich entweder nach dem eigenen Umsatz oder, in sogenannten Lockstep-Kanzleien, in denen das Prinzip der Seniorität gilt, nach Zugehörigkeit zur Partnerschaft. Hier entnehmen die sogenannten Plateau-Partner am meisten.
Der Counsel ist der wohl komplizierteste Status. Man kann als Associate oder Salary-Partner in den Status wechseln und verlässt damit in der Regel den Partnertrack. Bei den meisten Kanzleien steht es Counseln aber offen, eines Tages wieder auf den Partnertrack zurückzukehren.